Sonntag, 10. August 2014

Was wir von den Stoikern lernen können

Vor einigen Jahren ist mir durch Zufall ein kleines Taschenbuch aus dem Diogenes Verlag in die Hände gefallen. Dieses handelt vom Stoiker Epiktet, seinen Moralvorstellungen und seiner Sicht auf die Welt. Stoiker sind Menschen die ihren Platz und ihre Rolle in einem ganzheitlichen Weltgefüge erkennen und ausfüllen wollen. Sie streben, durch emotionale Selbstbeherrschung und die Fügung in das ihnen (von Gott) gegebene Leben, zu Weisheit und Seelenfrieden.
Stoiker vertreten also eine bestimmte Weltanschauung. Die Lehre der Stoa umfasst ungefähr den Zeitabschnitt von 330 v. Chr. bis 180 n. Chr. und wird in drei Teilabschnitte unterteilt. Die Lehre der Stoa hat sich im Laufe der Jahrhunderte immer gewandelt. Epiktet, dessen Lehren ich hier anbringe, reiht sich in die späte Stoa ein.
Warum habe ich seine Lehren nun als Grundlage für diesen Beitrag gewählt? Zum einen hat eine seiner Erkenntnisse, auf die ich gleich am Anfang zu sprechen komme, damals mein Denken beeinflusst (was mich viel entspannter und besonnener denken und handeln lässt), und zum anderen möchte ich Dir einige weitere nicht vorenthalten. Eines sei allerdings noch erwähnt. Die Grundsätze der Stoa kann, muss man aber nicht in seine persönliche Entwicklung einfließen lassen. Einiges lässt sich auch in die heutige Zeit gut übertragen, anderes (meinen Vorstellungen entsprechend) eben nicht. Ich habe hier auch nur eine subjektive Auswahl zusammen gefasst, und selbst diese teile ich nicht alle. Nun aber genug der Vorrede. Los geht es, wie vorher erwähnt, mit der für mich erkenntnisreichsten Einsicht.

Es lohnt nicht, sich über Dinge aufzuregen, die Du nicht ändern kannst. Diese einfache aber, wie ich meine, sehr weise Erkenntnis hilft einem viele Dinge viel entspannter anzugehen. Hierzu einige Beispiele:
  • Du bist mit dem Fahrrad unterwegs und es gießt, wie aus Eimern
    • Du könntest Dich jetzt stundenlang lauthals darüber aufregen, dass Du nass wirst, aber wird der Himmel dadurch aufhören auf Dich herabzuregnen?
  • Dir wird das Fahrrad gestohlen
    • das ist zwar ärgerlich, kannst Du in dem Moment aber nicht ändern, weg ist eben weg
  • Du verpasst den Zug und musst eine Stunde auf den Anschluss warten
    • nicht schön, aber wird der verpasste Zug für Dich anhalten oder zurück kommen?
Die Chinesen haben ein ähnliches Sprichwort: Es ist müßig über vergossene Milch zu klagen.

Im Folgenden nun eine „kleine“ Auswahl Epiktets Ansichten.

  • Nicht die Dinge selbst ängstigen den Menschen, sondern der Gedanke daran
    • so ist auch der Tod nichts Schreckliches, sondern viel mehr, die natürlichste Sache der Welt
      • der Mensch ist eines der wenigen Wesen, die vom Tod wissen und die meisten fürchten eben diesen, da er ihrem Leben ein Ende setzt
    • das Streifen durch den nächtlichen Wald hat auch nichts Bedrohliches, auch wenn es überall knirscht und knackt
      • nur die Vorstellung uns könnte jemand oder etwas auflauern, ängstigt uns
  • Verlange nicht, dass alles so kommt, wie Du es Dir vorstellst
    • hier spekuliert Epiktet auf das Schicksal und, dass Gott für jeden einen Weg vorgeschrieben hat
    • leider ist diese Aussage konträr zu Aussagen alá „Du kannst alles werden, was Du willst“, „Nimm Dein Leben selber in die Hand, und schreibe Dein eigenes Schicksal“ oder „Wer aktiv nach Veränderung sucht, der wird sie auch finden“.
    • hier solltest Du selbst entscheiden, ob der Weg für Dich bereits vorgezeichnet ist, oder ob Du aktiv an seiner Veränderung beteiligt bist
  • was immer Dir widerfahren wird, frage Dich, mit welcher Deiner Eigenschaften kannst Du gegensteuern
    • hast Du Dir selber Regeln auferlegt, so übe Dich in Disziplin
    • Du musst eine schwierige, langatmige Aufgabe erledigen, so stärke Deine Ausdauer
    • sprichst Du vor vielen Leuten, so schärft das Deine Redegewandtheit
    • übst Du Dich in körperlicher Ertüchtigung, so stärkt das Deine Kraft und Ausdauer
    • bist Du von Menschen umgeben, die nicht Deines Schlags entsprechen, so übe Dich in innerer Ruhe und Gelassenheit
  • kümmere Dich nicht, was andere über Dich reden
    • es ist schwierig, seine naturgemäße Haltung zu bewahren, gleichzeitig aber eine Rolle zu spielen
    • natürlich kannst und sollst Du an Dir arbeiten, doch täglich einen Part zu spielen, der nicht Deinem Wesen entspricht, wird Dich auf Dauer nur auslaugen
  • welche Dinge solltest Du anstreben
    • Du sollst nur Dinge anstreben, die in Deiner Macht liegen
    • Dinge, die nicht in Deiner Macht liegen, sondern in der anderer kannst und sollst Du nicht anstreben
      • beispielsweise kannst Du nicht verlangen, dass jemand in Deiner Umgebung keine Fehler macht, dass Dich andere Leute lieben, oder Deine Freunde und Familie ewig leben
      • das liegt nämlich in der Macht der jeweils anderen Personen
  • lass Dich nicht hinreißen von den Gefühlen anderer
    • wenn ein Freund um seine Partnerin trauert, weil sie in weiter Ferne ist, nimm Anteil, aber lasse Dich nicht von den Gefühlen Deines Gegenüber mitreißen
    • nicht der Vorfall an sich quält Deinen Freund, sondern nur die eigens entwickelte Vorstellung daran (nicht jeder würde in der selben Situation genau so handeln)
  • worauf musst Du vorbereitet sein
    • wenn Du etwas in Deinem Leben ändern willst (Wissen erlangen, sportlicher werden, gesünder leben, Berufung nachgehen), mache Dich darauf gefasst, dass es Menschen geben wird, die Dich nicht ernst nehmen, Dich verlachen, Dir nicht glauben, etc.
    • kümmere Dich nicht um die Meinung anderer, denn Du hast diesen Weg gewählt
    • kommst Du an Dein Ziel, werden Dich eben jene loben und Dir gratulieren
    • scheiterst Du aber, werden Sie Dich noch mehr hänseln
  • nehmen ohne zu geben
    • Du möchtest etwas erreichen, eine hochrangige Position bekleiden, ein gutes Auskommen haben, einen hübschen Partner haben, dann sei auch bereit dafür zu zahlen
    • Du kannst nicht neidisch auf andere sein, weil es ihnen besser geht, aber gleichzeitig nicht bereit sein, das zu investieren, was sie investiert haben
    • kannst, oder willst Du Deinen Beitrag nicht leisten, dann neide nicht jene, die bereit sind diesen zu zahlen
  • lasse Dich nicht von anderen beeinflussen
    • würde jemand Schändliches mit Deinem Körper tun, würdest Du aufbegehren
    • warum aber lässt Du andere über Deine Gemütslage bestimmen?
  • Denke erst nach bevor Du handelst
    • wenn Du eine (neue) Sache angehen oder ändern möchtest, bedenke zu erst die Konsequenzen und Folgen und lasse Dich nicht nur von dem Positivem (ab)lenken
    • Du möchtest einen athletischen Körper und an Wettkämpfen teilnehmen
      • bist Du Dir aber auch darüber im Klaren welche Arbeit Du investieren und worauf Du verzichten musst?
    • Du möchtest die Karriereleiter in Deiner Firma erklimmen
      • Bist Du bereit dafür auf Freizeit und Freiheit zu verzichten?
  • Selbstbeherrschung ist bedeutsamer, als Nachgeben
    • wenn Dich etwas dazu bringen sollte, Dich hinreißen zu lassen, dann bedenke folgende Dinge
      • den Genuss, den Du in diesem Augenblick verspürst
      • die Reue, die Du danach verspürst
      • die Zufriedenheit, die Du verspürst, wenn Du standhaft geblieben bist
  • sollst Du Dich nach dem Urteil der Anderen richten?
    • wenn Du etwas aus vollster Überzeugung tust, brauchst Du die Blicke anderer nicht zu scheuen
    • denn warum solltest Du nicht zu Deinen Handlungen stehen?
      • wären sie in Deinen Augen nicht sinnvoll, hättest Du sie nicht getan
  • lasse Dich nicht von fremdem Urteil fehlleiten
    • wenn Dich jemand verletzt, so denke daran, dass er denkt er sei im Recht
    • dieses Recht-haben muss aber nicht mit Deinem überein stimmen
  • urteile nicht vorschnell
    • trinkt jemand viel, so sage nicht, er handelt falsch, sage nur er trinkt viel, aber urteile nicht
    • ist jemand zu dick, so sage nicht er isst zu viel
    • ist jemand ungepflegt, so denke nicht, alles in seinem Leben wäre schmuddelig
    • denn Du weißt nie, was denn der Beweggrund ist
  • jeder ist sich selbst der Nächste
    • jedes Lebewesen ist von Natur aus so geschaffen, dass es alles nur um seiner selbst willen tut
  • Du tust alles nur für Dich
    • hast Du etwas vollbracht, dann brüste Dich nicht mit dem Erreichten, Du hast es für Dich getan und für niemand anderen
  • worüber sollst Du reden?
    • rede wenig und trage nur Konstruktives zum Thema bei
      • unterlasse Gespräche über Nichtigkeiten und Triviales
      • rede nicht schlecht über nicht anwesende Personen
  • Bedenke Deine Kapazitäten
    • stellst Du Dich einer Aufgabe, die Deine Kräfte übersteigt, dann bedenke zwei Dinge
      • der nur mässige Erfolg dieser Sache
      • der Erfolg, den Du hättest haben können, hättest Du Dich auf etwas konzentriert, das Du gut kannst
  • Behalte dieses stets im Hinterkopf
    • sprich nicht von Dingen, oder weise andere an, wie sie etwas zu tun haben, sondern lasse Taten an Stelle von Worten sprechen
    • forme Deinen Charakter und Dein Selbst, so wie Du es haben möchtest und handele danach, ungleich ob Du unter Menschen, oder allein bist
    • tue Gutes nicht, um Lob von anderen zu bekommen, sondern stets von Dir aus
    • bist Du unter Menschen, die nicht Deiner Natur entsprechen, so lasse Dich nicht auf deren Niveau herab, denn auch das reinste Wasser wird umso trüber, je mehr es mit Schmutz in Berührung kommt
    • vermeide Überfluss und Maßlosigkeit, sondern beschränke Dich in allen Lebenslagen, egal, ob Körper, Nahrung, Hab & Gut nur auf das Notwendigste
    • wird Dir zugetragen, dass ein anderer schlecht über Dich geredet hat, so rechtfertige Dich nicht, denn würde er auch Deine anderen Fehler kennen, so hätte er noch mehr gesagt
    • wenn Du Dich in keinen Kampf einlässt, den Du beeinflussen kannst, wirst Du unbesiegbar bleiben
    • vermeide es in Gesellschaft zu viel von Dir, Deinen gemeisterten oder noch anstehenden Herausforderungen, zu reden, denn den Anderen interessieren diese Geschichten weit weniger, als sie Dich interessieren
    • hörst Du Niederes, so weise den anderen zurecht, oder zeige durch Schweigen Deine Missbilligung

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