Samstag, 5. Juli 2014

Wenn das Wörtchen "eigentlich" nicht wäre

Ist Dir einmal aufgefallen, wie oft denn das Wort eigentlich Einzug in unseren täglichen Sprachgebrauch hält? Wenn nicht, dann achte ab jetzt einmal darauf (Du wirst nach dem Lesen dieses Dokuments wahrscheinlich ohnehin unbewusst darauf achten :)). Mir ist vor geraumer Zeit aufgefallen, dass ich dieses Wort recht häufig selber benutze. Und irgendwie gefiel es mir einfach nicht (mehr), allerdings schien es nicht zu klappen, dieses Wort aus meinem Wortschatz zu verbannen.
Zufälligerweise konnte ich dann einem Vortrag von Uwe Schäfer lauschen, der genau diese Thematik als Vortragsgegenstand ausgesucht hatte. Zufall? Wohl eher nicht.
Doch kommen wir zurück zum Ausgangspunkt. Hier eine kleine Aufgabe:
Nenne mir einen Satz in dem das Wort eigentlich sinnvoll angewandt werden kann. Logischerweise entfallen alle Sätze, die das Wort eigentlich an sich beschreiben, z.B. “Das Wort eigentlich ergibt keinen Sinn” oder “Eigentlich beginnt mit einem E und endet mit einem h”.
Was meine ich nun aber damit, dass das Wort eigentlich nicht sinnvoll ist? Nun, dieses Wort nimmt jeder Aussage die Verbindlichkeit, bzw. lässt jeden Satz schwammig klingen. “Eigentlich muss ich heute zum Sport gehen, aber…”, “Eigentlich wollte ich heute schon um sieben aufstehen…”, etc. Mit dem Wort eigentlich kann man sich immer wunderbar eine Hintertür offen halten. Und genau darum, muss das Wort aus unserem Wortschatz verschwinden. Wischiwaschiaussagen bringen nichts. Machen wir nochmal einen Test. Denke einmal darüber nach, wann Du das Wort eigentlich in der näheren Vergangenheit verwendet hast und prüfe, was passiert, wenn Du das Wort weg lässt. Fällt Dir auf, dass auch Du Dich oftmals hinter diesem Wort versteckt hast und Dinge hättest erledigen sollen, es aber nicht getan, oder Konsequenzen nicht gezogen hast? Hier nochmal ein paar Beispiele mit und ohne eigentlich:

  • Eigentlich bin ich nicht zu dick und fühle mich wohl”
    • “Ich bin nicht zu dick und fühle mich wohl”
  • Eigentlich bin ich zufrieden mit meiner Beziehung”
    • “Ich bin zufrieden mit meiner Beziehung”
  • Eigentlich gefällt mir mein Beruf”
    • “Mir gefällt mein Beruf”
  • Eigentlich bin ich zufrieden mit meinem Leben”
    • “Ich bin zufrieden mit meinem Leben”
  • Eigentlich hast Du recht”
    • “Du hast recht”

Erkennst Du den Unterschied? Eigentlich verwässert unsere Aussagen. Könntest Du die Aussagen, die Du Dir gerade ins Gedächtnis gerufen hattest auch ohne das Wort eigentlich tätigen (ohne eine schlechtes Gewissen zu haben)? Hättest Du nicht stattdessen eher Dinge getan, wenn Du das Wort gleich weg gelassen hättest? “Eigentlich muss ich zum Sport gehen (aber ich habe keine Lust)” lässt mir ein Hintertürchen offen, wohingegen “Ich muss zum Sport (aber ich habe keine Lust)” mir keine Auswahlmöglichkeiten bietet, denn keine Lust zu haben ist keine adäquate Begründung nicht zum Sport zu gehen. Ich habe eine klare eindeutige Aussage getroffen. Nun gut, ich kann natürlich dennoch nicht zum Sport gehen, wenn ich mich damit abfinden kann, dass ich an einem Mangel an Disziplin leide. Du siehst, das Wort lässt uns ein Hintertürchen offen, was wir nur all zu gerne auch nutzen. Unliebsame Dinge können so nämlich perfekt kaschiert werden, da wir uns im Vorfeld nicht fest gelegt haben.
Hast Du schonmal einen Gesetztext gesehen, in dem das Wort eigentlich vorkommt?
“Er ist zu schnell gefahren und bekommt jetzt eigentlich x Punkte.” “Wegen Raubüberfall bekommt der Beklagte eigentlich x Jahre Freiheitsentzug.” Du wirst keinen finden, denn in Gesetzestexten sind Aussagen immer verbindlich. Warum solltest Du nicht auch diese Verbindlichkeit in Dein tägliches Handeln integrieren?
Wie verhält es sich in der Kommunikation mit anderen? Derjenige, der klare Aussagen formuliert und auch danach handelt, wird wohl (bewusst oder unbewusst) mehr geachtet, als derjenige, der sich hinter Unverbindlichkeiten versteckt. Wenn Du also daran interessiert bist, was andere von Dir halten, wäre das ein weiterer Grund an der Eliminierung dieses Wortes zu arbeiten. Wie kann es nun aber bewerkstelligt werden, das Wort eigentlich aus dem eigenen Wortschatz zu verbannen? Ich selber hatte so meine Probleme damit, doch auf besagtem Vortrag wurde mir ein kleiner Tipp an die Hand gegeben, den ich seit dem beherzige.
Immer, wenn Dir das Wörtchen eigentlich über die Lippen kommt, stoppe sofort und wiederhole den Satz noch einmal ohne besagtes Wort. Konditioniere Dich also selbst. Irgendwann wirst auch Du dieses Unwort verbannt haben und somit verbindlicher Reden, Auftreten und Handeln.

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